Svea Korff – von der Ausstiegsforschung ins Wissenschaftsmanagement

Foto: Carolin Ehlke

Kurzvorstellung

Mein Name ist Svea Korff. Ich leite das Graduiertenzentrum der Universität Hildesheim, eine fächerübergreifende Serviceeinrichtung für Promovierende und Promovierte. Nebenbei arbeite ich als Trainerin und systemische Beraterin im Bereich Karrierecoaching mit dem Schwerpunkt auf Exit-Strategien. Ich war 12 Jahre in der Hochschulforschung tätig und habe mich vor allem mit den Strukturen der Nachwuchsförderung auseinandergesetzt. Das Thema „Ausstieg aus der Wissenschaft“ liegt mir besonders am Herzen: Ich habe mich in meiner Promotion mit Abbruchgedanken von Promovierenden beschäftigt und in der Postdoc-Phase Ausstiegsprozesse von Promovierten untersucht. Dafür habe ich das gleichnamige DFG-geförderte wissenschaftliche Netzwerk eingeworben und koordiniert.

Mehr zu meiner Person, zu meinem Beratungs- und Trainingsangebot sowie zu meiner Forschung kann man auf www.sveakorff.com nachlesen.

Mit welchem Ziel hast du den wissenschaftlichen Werdegang verfolgt?

Ich wollte forschen! Während meines Soziologie Studiums habe ich als Hilfskraft gearbeitet und bei der Durchführung von deutschlandweiten Studien in mittelständischen Unternehmen geholfen. Zu meinen Aufgaben gehörte es, Fragebögen zu erstellen, Daten zu erheben, diese auszuwerten und die Präsentation der Ergebnisse vorzubereiten. Das hat mich fasziniert. Natürlich gehörte auch das Organisieren von Tagungen und eine Menge Kaffee kochen dazu.

Hatte ich vorm Studium noch Angst vor Statistik, weil MATHE-, war ich widererwartend gar nicht schlecht darin und es machte mir sogar Spaß mich in die Tools einzuarbeiten und Hypothesen zu überprüfen. Nach meinem Studium wollte ich weiter in der Forschung und auch gern an der Uni bleiben. Erfahrungen mit Unternehmen hatte ich durch meine Ausbildung zur Industriekauffrau erst einmal genug gemacht und ich hatte kein Interesse an einem Routine-Büroalltag „from Nine to Five“.  

Ohne genau zu wissen, worauf ich mich da eigentlich einließ und was das tatsächlich bedeutet – in meiner Familie gehörte ich zur ersten Generation, die sich auf den Weg in die Wissenschaft gemacht hat –, promovierte ich, neben meiner Arbeit in einem Drittmittelprojekt. Und ich verfolgte das Ziel mich für eine Professur zu qualifizieren, weil man das offenkundig so machte, wenn man in der Wissenschaft bleiben wollte. Spannend war für mich, dass man sich ständig neuen Herausforderungen und Themen stellen konnte, immer ein wenig an der Grenze zur Überforderung. Bis ich in der Postdoc Phase an meine Grenzen kam. Mein Bild von Wissenschaft bekam durch meine Erkenntnisse aus der Forschung, meine eigenen Erfahrungen und meine Weiterbildung zur systemischen Beraterin Risse und mir wurde klar, wie hoch der Preis sein kann, den man für das Ganze bezahlt.

Von der Forschung zum Ausstieg …

Mich hat immer irritiert, dass es im Diskurs um die Promotion ausschließlich um Diejenigen ging, die „erfolgreich“ im Wissenschaftssystem waren. Also ihre Promotion erfolgreich abschlossen und am besten noch kurz danach mühelos auf eine Professur berufen wurden. So kam ich zu meinem Forschungsthema: Was war mit denjenigen, die nach den Regeln des Systems nicht erfolgreich waren? Denn wie konnte man davon sprechen „die Besten der Besten“ zu bekommen, ohne sich für die anderen – die Vergleichsgruppe – zu interessieren? Aussagen wie „Abbruch gibt es hier nicht“ oder „Warum sollte man sich mit denen auseinandersetzen, die scheitern?“, die ich in meinem Umfeld und während meiner Forschungen immer wieder zu hören bekam, haben mich nur darin bestärkt, diesem blinden Fleck des Wissenschaftssystems meine Aufmerksamkeit zu schenken.

Während ich mich in meiner Promotion mit Promovierenden und ihren Abbruchgedanken beschäftigt habe, war der nächste logische Schritt, sich in meiner Postdoc-Phase mit dem (potenziellen) Ausstieg von Postdocs aus dem zumeist unsicheren universitären (Arbeits-)Kontext zu beschäftigen. Wie die Postdocs in den Interviews, stellte auch ich mir zunehmend die Frage „Bin ich auf dem richtigen Weg?“. Nach acht Jahren befristeter Beschäftigung und dem nahenden Ende meiner Höchstbefristungsdauer wurde mir klar, dass ich selbst eine Idee entwickeln musste, die mich auffängt, wenn es im Wissenschaftssystem für mich nicht mehr weiter geht.

… zum Wechsel ins Wissenschaftsmanagement

Aufgrund meiner Forschung zu Abbruch- bzw. Ausstiegsdanken, erreichten mich immer wieder Anfragen von Betroffenen. Zunächst habe ich alle Anfragen abgewiesen, weil ich nicht wusste, wie ich ihnen helfen sollte. Auch weil ich Angst vor den ganzen Emotionen hatte, die mir da entgegenschlugen. Durch meine heutige Beratungserfahrung weiß ich, dass es dauern kann, bis man die eigene Expertise als etwas betrachtet, mit dem man auch anders Geld verdienen kann und durch die man sich ein Arbeitsfeld außerhalb der Wissenschaft eröffnen kann. Irgendwann wurde mir jedoch klar, dass ich mir die Qualifikation dazu aneignen könnte. Und so machte ich mich auf die Suche nach einer Weiterbildung im Bereich Coaching, Beratung und landete durch meine Kolleg*innen und mein sozialpädagogisches Umfeld schnell bei dem systemischen Ansatz und einer Weiterbildung zur systemischen Beraterin. Einerseits mit dem Gedanken, damit den Anfragenden auch tatsächlich qualifizierte Unterstützung anbieten zu können, und andererseits mich damit auch selbständig machen zu können, falls das mit der Wissenschaft nichts werden sollte.

Gleichzeitig qualifizierte ich mich damit für den Bereich der strukturierten Förderung von Wissenschaftler*innen in der Qualifikationsphase. Auch wenn die Ausstiegsthematik lange keinen prominenten Status in der Wissenschaft hatte, ist in den letzten Jahren das Bewusstsein dafür gestiegen, dass bei dem Missverhältnis zwischen der Anzahl der Nachrückenden und der freiwerden Stellen der Ausstieg aus der Wissenschaft der Normalfall ist und es einer unterstützenden Struktur bedarf. Als an meiner Universität ein Graduiertenzentrum aufgebaut werden sollte und die Stelle der Geschäftsführung ausgeschrieben wurde, war für mich klar, dass ich mich bewerben würde. Und um keinerlei Missverständnisse aufkommen zu lassen, dass ich die Richtige für die Stelle bin, arbeitete ich ein vollständiges Konzept für das Vorstellungsgespräch aus und konnte mich gegen die Konkurrenz durchsetzen. Zudem weiß ich heute – drei Jahre später –, dass für diese Stelle die Kombination aus meiner Ausbildung zur Industriebkauffrau, meine Expertise in der Hochschulforschung und meine Beratungsausbildung eine perfekte Kombination bildet.

Das klingt jetzt so, als wäre das die einzige Bewerbung und das einzige Vorstellungsgespräch gewesen … mitnichten!

Zum Ende meiner Höchstbefristungsdauer wurden sowohl das Graduiertenzentrum verstetigt als auch meine Stelle entfristet. Von der Forschung habe ich mich damit zwar weitgehend verabschiedet, aber dafür habe ich eine neue Leidenschaft entdeckt: die Beratung. Und entgegen dem Narrativ „So ist das in der Wissenschaft, da mussten wir alle durch!“ ist mein übergeordnetes Ziel Promovierende und Promovierte zu unterstützen und möglichst alle Informationen bereitzustellen oder diese mit ihnen zu erarbeiten, damit sie die für sich besten Entscheidungen treffen können!

Wie sieht dein Berufsalltag aus? Was macht dir am meisten Spaß an deinem Beruf? Was macht dir weniger Spaß?

Die Aufgaben der Geschäftsführung sind vielfältig: Bereitstellen von Informationen, Förderangebote und -konzepte entwickeln, Veranstaltungen und Workshops organisieren, Netzwerken bzw. Kommunikation auf allen Ebenen und natürlich die Beratung von Promovierenden und Promovierten und vieles mehr.

So interessant das klingen mag, so herausfordernd ist es. Da ich das Zentrum allein führe, kann man sagen, dass ich meine eigene Sekretärin und gleichzeitig meine Chefin bin. Das ist toll, wenn es um die Ausgestaltung meiner Stelle geht, aber da es keinerlei Vertretungsstruktur gibt und meine Stelle als 75 % Stelle von der Universität ausgeschrieben wurde, muss ich immer einen Blick auf meine Ressourcen haben, um nicht auszubrennen. Und das bedeutet auch, ich muss es aushalten und alle anderen um mich herum ebenfalls, dass ich nicht immer bei allem dabei sein und alles sofort erledigen kann. Letztendlich arbeite ich im gleichen System in dem auch #ichbinHanna tätig ist und habe somit mit denselben strukturellen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Mit einer Ausnahme natürlich: der Entfristung. Außerdem ist es nur noch ein Job, auf den ich mich fokussieren kann und ich jongliere nicht noch gleichzeitig mit drölfzig Projekten, Publikationen, Anträgen und Bewerbungen herum.

Dein Rat für andere auf einem ähnlichen Weg:

Wichtig ist, mehr von dem zu tun, was einem Kraft gibt und weniger von dem, was einem Kraft raubt! Und wenn ihr nicht wisst, was das ist, dann sucht euch Hilfe. Ihr müsst das nicht mit euch allein ausmachen. Es gibt inzwischen an den Unis Einrichtungen und Personen, die beratend tätig sind. Es gibt Veranstaltungen, Workshops und Mentoringprogramme, in denen ihr die Frage „Bin ich auf dem richtigen Weg?“ stellen bzw. bearbeiten könnt. Vielleicht habt ihr sogar die Möglichkeit ein Coaching über das Gleichstellungsbüro oder eure Graduiertenakademie bezahlt zu bekommen und extern jemanden zu suchen, der euch bei der Orientierung, Entscheidungsfindung oder einer Exit-Strategie unterstützt – nutzt Sie!