Vom Nachdenken übers Geld zur Finanzberatung – Maximilan Runge-Segelhorst

Portraitfoto von Maximilian Runge-Segelhorst, vor einem großen Bücherregal und mit einer alten Büste im Hintergrund
Foto: Maximilian Runge-Segelhorst

Ich heiße Max, habe Philosophie und Germanistik studiert und arbeite mittlerweile als selbständiger Versicherungsmakler und Honorarberater für ethische Geldanlagen. Nebenher publiziere ich auf meiner Homepage www.runge-segelhorst.de zu sozialen und ökonomischen Themen. Lange Zeit wollte ich eine Laufbahn als Unidozent anstreben, aber als ich begriffen habe, was das Wissenschaftszeitvertragsgesetz für mich und meine Familie bedeutet, habe ich dieses Vorhaben noch während meines Masterstudiums fallen gelassen. Es will mir nach wie vor nicht in den Kopf, wie man auf den Gedanken verfallen kann, dass Forschende vor allem dann zu wissenschaftlichen Höhenflügen befähigt würden, wenn man sie nur schlecht genug bezahlt und ihnen ständig nur befristete Stellen anbietet.

Ende der Promotion noch vor dem Anfang

Nach Einreichung meiner Masterarbeit kam der mich betreuende Professor auf mich zu und schlug mir vor, bei ihm in Literaturwissenschaft zu promovieren. Zeitgleich hatte ich die Zulassung für ein Zweitstudium in Psychologie erhalten, auf das ich mich mit dem Ziel beworben hatte, Psychotherapeut zu werden. Ich rang um eine Entscheidung, aber als Kind eines NichtakademikerInnen-Haushaltes entschloss ich mich am Ende für die Dissertation, wohl wissend, dass es sich hier um eine Gelegenheit handelte, die nur zwei Prozent aller Kinder aus vergleichbaren Haushalten ergreifen können.

Da ich keine Doktorandenstelle bekam, war ich für die Finanzierung des Promotionsvorhabens auf Stipendien angewiesen. Nach 18 Monaten intensiver fachlicher Einarbeitung und zwei Bewerbungsverfahren bei geeigneten Stiftungen erhielt ich letztlich zwei Absagen. Da ich mich mit meiner Nebentätigkeit als freiberuflicher Lektor nicht länger über Wasser halten konnte, zugleich aber auch zu meinem Thema (ich forschte zum Verhältnis von Spiritualität und Atheismus in der deutschen Gegenwartsliteratur) eine immer stärkere Distanz aufgebaut habe, habe ich die Promotion dann Mitte 2018 mit einer Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung abgebrochen.

Ein neues Thema blitzt auf

Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich bereits seit etwa einem halben Jahr mit den Themen Versicherungen, Geldanlage und Wertpapieren befasst (man wird ja leider nicht jünger) und mir sehr viel Verbraucher:innenschutzwissen angelesen. Insbesondere die mit Aktien einhergehenden Stimm- und Einflussrechte und das davon abgeleitete Konzept der Aktionärsdemokratie haben mich sehr schnell gefesselt – und mir dadurch die an vielen Unis leider sehr einseitig gelehrte Welt der Wirtschafts- und Geldtheorien eröffnet.

Mitte 2019 habe ich mich dann dazu entschlossen, diesem Interesse, das mir bislang eher wie ein Hobby erschien, einen größeren Raum in meinem Leben einzugestehen und über eine Ausbildung zum Bankkaufmann den ersten Schritt in den Finanzsektor zu wagen. Familie, Freunde und auch meine zukünftige Chefin traten dieser Entscheidung mit einer ganzen Menge Zweifeln gegenüber (Philosoph? Berufsschule? In der Bank? Mit Geld und so?), aber im Verlauf der Ausbildung wurde die Ernsthaftigkeit meines Entschlusses immer weniger in Frage gestellt.

Überholtes Wissen in der Berufsschule

Obwohl ich zu den ältesten in meinem Jahrgang gehörte (mit 28 aber nicht der Älteste war), habe ich in der Berufsschule schnell sozialen Anschluss gefunden. Als echte Herausforderungen stellten sich allerdings die sehr vertriebsorientierten (und als „kundenorientiert“ schöngeredeten) Inhalte in der betrieblichen Ausbildung und der Volkswirtschaftsunterricht in der Berufsschule dar.

Mein Zugang zur Finanz- und Anlageberatung war von Anfang an ein kritisch-analytischer. Viele meiner Informationen hatte ich von den sehr ausführlich und fundiert gestalteten Seiten der Verbraucherzentralen. Anstatt einfach das etablierte „Vertriebsgerede“ zu übernehmen, war es mir wichtig, die Schulungen zur Verkaufskommunikation und -psychologie kritisch zu reflektieren. Als schwieriger gestaltete es sich, im Filialalltag zwischen bankbetrieblichen Zielen und den Empfehlungen des Verbraucher:innenschutzes nicht meine moralischen Grundwerte auf der Strecke zu lassen.

So gab es etliche Vorgaben, die zwar für die Bank gewinnbringend, für die Kund:innen aber oft wenig vorteilhaft waren. Verlangt wurde etwa der Abschluss einer bestimmten Anzahl von Bausparverträgen (die meist nur bei Inanspruchnahme des Bauspardarlehens sinnvoll sind), aktiv gemanagten Investmentfonds (weil Banken an den günstigeren ETFs kaum etwas verdienen) und Rentenversicherungen (die in ihrer verzinsten Variante extrem desaströs und höchstens als ETF- oder Honorarpolice sinnvoll sind). Diese Erfahrungen sind der Grund, weshalb mir bereits nach einem Jahr klar war, dass meine Zukunft in der Finanzberatung nur in der Selbständigkeit liegen könne: ohne Vorgesetzte, ohne Vorgaben, ohne Verkaufsdruck, nur meinen eigenen Wertvorstellungen verpflichtet.

Was den volkswirtschaftlichen „Unterricht“ in der Berufsschule so schwierig machte, war die Vielzahl von Lehrinhalten, die im besten Falle widersprüchlich, im schlimmsten Falle aber mittlerweile widerlegt sind. So wird etwa immer noch fälschlicherweise gelehrt, dass Banken bei der Kreditvergabe Geld weiterverleihen würden, obwohl sie es durch den Buchungsakt vollständig aus dem Nichts erzeugen. Im Klassenzimmer habe ich von den anderen Auszubildenden für meine regelmäßigen Einwände eher Augenrollen als Verständnis geerntet, von den Lehrkräften immerhin vereinzelte Lippenbekenntnisse, dass ich in der Sache zwar richtig liege, man aber gegen die Prüfungsvorgaben des Rahmenlehrplans nichts machen könne. Meine philosophische Vorbildung (insbesondere im Bereich des logischen Argumentierens und der Ideengeschichte) war auf jeden Fall extrem hilfreich, um die Lehrplaninhalte der heute üblichen ökonomischen Bildung kritisch reflektieren zu können.

Frei und unabhängig ist man nur als selbständiger Makler

Mit bestandener Ausbildung konnte ich unverzüglich die Zulassung zum Anlagevermittler/-berater beantragen. Zusätzlich habe ich die Weiterbildung zum IHK-Versicherungsfachmann absolviert, sodass ich seit April 2022 auch als Versicherungsmakler (was etwas anderes ist als ein Versicherungsvertreter) zugelassen bin. Den Sprung in die Selbständigkeit habe ich mir aber letztlich nur deshalb zugetraut, weil ich über den Gründungszuschuss der Agentur für Arbeit und von meiner Ehefrau, die als verbeamtete Lehrerin tätig ist, finanziell stark unterstützt worden bin.

Heute biete ich als selbständiger Handelsvertreter eines kleinen Maklerunternehmens eine deutschlandweite Online-Finanzberatung an und bekomme 70 Prozent des von mir verdienten Provisions- und Honorarumsatzes ausgezahlt (ausführlicher zur Vergütung in der Versicherungsvermittlung etwa hier). Das Arbeiten im Homeoffice gefällt mir persönlich sehr gut, da ich auf diese Weise meinen beruflichen Alltag selbst gestalten kann und ausreichend Zeit für die Einarbeitung in neue Themen und das Schreiben von Blogartikeln finde. Obwohl sich die Akquise neuer Kund:innen (sowohl in der Anlageberatung als auch in der Versicherungsvermittlung) grundsätzlich als herausfordernd gestaltet, betreue ich mittlerweile um die 60 Kund:innen, die mein Bemühen um absolute Transparenz, meine Geduld bei der Erläuterung verschiedenster Sachverhalte und meinen Blick für die größeren Zusammenhänge an mir schätzen.

Finanzielle Bildung betrifft den privaten Umgang mit Geld – und den staatlichen

Was mich als Philosoph an meiner heutigen Tätigkeit so reizt, ist die unmittelbare Wirkung: Meine Überlegungen können in sehr kurzer Zeit das (materielle) Leben anderer verbessern. Gleichzeitig hoffe ich, durch meine Aufklärungsarbeit zu informierten Finanzentscheidungen beizutragen und zu zeigen, dass der sinnvolle und ethische private Umgang mit Geld ein weiterer Hebel sein kann, um unsere ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen zu transformieren.

Da jedoch ein Großteil der Bevölkerung und auch der Menschen, die im Finanzsektor arbeiten, kein adäquates Verständnis unseres Geldsystems haben, ist es aus meiner Sicht besonders wichtig, dass noch sehr viel mehr kritisch denkende Köpfe meine Branche bereichern und mit mir zusammen daran arbeiten, dass die Finanzwirtschaft im Dienst der ganzen Gesellschaft steht und nicht einseitig die Interessen einflussreicher Akteure verfolgt. Diese Veränderungen müssen aktiv eingefordert werden, und deshalb ist es mir so wichtig, Menschen aufzuzeigen, wie sie von den Möglichkeiten der Mitbestimmung und Mitwirkung im wirtschaftlichen System Gebrauch machen können. Meine Mitmenschen über die Börse und unsere Geldordnung aufzuklären, geht mit einem hohen Argumentationsaufwand einher, aber ich bin überzeugt davon, dass es ein lohnenswertes Unterfangen ist. Denn wenn es niemand macht, wird sich erst recht nichts verändern.