Raphael Mousa: Vom Yoga-Forscher zum Yogatherapeut

Ich heiße Raphael Mousa und bin heute als Yoga- und Ayurvedatherapeut und -lehrer freiberuflich tätig. Ich habe im Bachelor Ethnologie und Psychologie und im Master Medizinanthropologie Südasiens in Heidelberg studiert und damals mehrere Jahre zum Schamanismus in Ostnepal geforscht und meine Abschlussarbeiten und einen veröffentlichten Artikel zum Thema geschrieben. Nach dem Masterabschluss habe ich, nach einigen Jahren des Reisens, Jobbens und Reflektierens, die Wissenschaft vermisst und meine Promotion aufgenommen. Das Thema der Arbeit ist der Austausch und die Integration von Yoga und Psychotherapie.

Der Weg zur Yogapraxis und -Forschung

Meine Faszination für Yoga als Philosophie reicht in meine frühe Jugend zurück. Meine ersten Yogastunden habe ich aber erst während meines Masters besucht und nach diesem dann auch eine Yogalehrerausbildung in Indien absolviert – damals noch ohne jede Ambition, Yoga tatsächlich zu unterrichten. Da mein akademisches Interessensgebiet schon lange die Schnittstelle von traditionellem Heilen in Südasien mit der klinischen Psychologie war, lag das neue Forschungsfeld für meine Promotion dann recht nah. Die Forschung bestand vor allem aus teilnehmender Beobachtung und Interviews an Schulen in Deutschland und Indien, die Ausbildungen anbieten, welche eine systematische Verbindung von Yoga und Psychotherapie darstellen. Nach der ersten Forschungsphase in Deutschland beinhaltete meine Forschung in Indien auch die Teilnahme an einer Ausbildung zum Yogatherapeuten mit anschließendem Praktikum in der örtlichen Yoga- und Naturopathie-Klinik.

Die Forschung in Indien endete jäh mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und einem Monat Quasi-Quarantäne im indischen Himalaya. Zum Glück hatte ich damals schon einen Großteil meiner Daten erhoben. Zurück in Deutschland stand ich dann aber vor der Frage, wie ich nun während der Pandemie, ohne Stipendium, festen Wohnsitz und Arbeitsplatz, meinen Lebensunterhalt verdienen sollte.

Erste berufliche Erfahrung im Yoga-Bereich

Meine Forschung in Deutschland wollte ich durch Folgeinterviews mit einigen Informanten vervollständigen.Dieses Motiv führte mich dann auch erneut ins Ashram und Seminarhaus des Yoga Vidya e. V. in Bad Meinberg – das wohl größte Yogazentrum Europas. Während meiner Interviews mit der Gründerin der dortigen Yogatherapie ergab sich völlig unerwartet die Möglichkeit, als Yogatherapeut in der Abteilung tätig zu werden. Dies bedeutete mindestens ein Jahr vor Ort zu leben – es wurden dann zwei daraus. Als Gemeinschaftsmitglied konnte ich in dieser Zeit kostenfrei an Veranstaltungen teilnehmen, wovon ich viel Gebrauch machte. So absolvierte ich zahlreiche Ausbildungen und Seminare in den Bereichen Ayurveda, Yogatherapie und Coaching und bot Gästen yogatherapeutische Einzelsitzungen, Gruppenstunden und vieles mehr an. Zusammen mit der Gründerin der Abteilung organisierte ich dann 2021 erstmals den „Fachkreis für Psychologische Yogatherapie“ zu dem wir einen Großteil meiner deutschen Interviewpartner*innen, sowie weitere Pioniere dieses noch sehr jungen Feldes in Deutschland, zu einem internen Austausch nach Bad Meinberg einluden. Dieser Fachkreis besteht noch immer und hat im November 2023 zum fünften Mal getagt. Während es mir, trotz großzügiger Unterstützung durch Yoga Vidya, schwerfiel, parallel zu meiner Vollzeittätigkeit dort mit der Auswertung meiner Daten voranzukommen, sah und sehe ich die Gründung des Fachkreises und damit die Vernetzung des Feldes, das ich erforsche, auch als durch meine Forschung entstandenen Erfolg. Freundschaft und Austausch mit diesen Experten sind natürlich auch persönlich und beruflich sehr bereichernd für mich.

Die Selbstständigkeit und die Fortsetzung der Forschung

Inzwischen bin ich als Yoga- und Ayurvedatherapeut freiberuflich selbstständig. Das heißt, ich gebe Einzelberatungen, Seminare und Ausbildungen in diesem Bereich – vor allem, aber nicht nur, bei Yoga Vidya. Tatsächlich hatte ich schon vor dem Abitur den Wunsch, in die Lehre zu gehen. Da mir die Fächerauswahl fürs Lehramt zu begrenzt war und ich nicht im Schulsystem arbeiten wollte, hatte ich schon damals eine Promotion anvisiert. Die Option privater Erwachsenenbildung sah ich da noch nicht.

Es erfüllt mich enorm Menschen zu unterrichten, die sich meine Themen ganz spezifisch und frei aussuchen, um selbst praktisch damit tätig zu werden – im Gegensatz zu Studierenden, die meine Seminare aus einer sehr begrenzten Auswahl für eine meist rein theoretische Auseinandersetzung auswählen würden. Trotzdem macht mir das wissenschaftliche Arbeiten weiter Spaß und wann immer ich neben meiner Selbstständigkeit Zeit finde, stürze ich mich wieder in meine Promotion. Mit dieser geht es daher langsam aber stetig voran. Die Auswertung der Daten ist zu guten Teilen geschafft und das Schreiben hat begonnen. Auch wenn es neben der Selbstständigkeit zeitlich eine große Herausforderung ist, bin ich doch entschlossen meine Dissertation abzuschließen. Durchaus bin ich auch weiterhin interessiert daran, auch im akademischen Bereich zu lehren. Ein Fokus auf eine wissenschaftliche Laufbahn kommt für mich aber momentan aus vielen Gründen, wie mangelnder Flexibilität und Sicherheit, nicht mehr in Frage. Meine zunehmende Verflechtung mit meinem Forschungsfeld stellt natürlich eine besondere Herausforderung für meine akademische Arbeit dar, was auch bei meiner Doktormutter auf Skepsis trifft und ausführliche Reflexion erfordert, im Feld der Yoga-Forschung allerdings gar nicht mal so ungewöhnlich ist.

Die Promotion hat mir nicht nur „zufällig“ die Gelegenheit verschafft, in die praktische Tätigkeit als Yoga- und Ayurvedatherapeut einzusteigen. Tatsächlich sehe ich meine wissenschaftliche Ausbildung und meine tiefe Beschäftigung mit Yoga aus diversen, auch akademischen Perspektiven als große Stärke in dieser Branche. Im Bereich der alternativen Heilmethoden und spirituellen Praxis mangelt es an Lehrenden, die neben ihrer unabdingbaren eigenen praktischen Erfahrung auch einen kritisch-analytischen Blick, einen sauberen Umgang mit Quellen und Fakten und generell eine gewisse wissenschaftliche Rationalität in ihre Lehre einbringen. Diese Eigenschaften werden mir von Teilnehmenden meiner Veranstaltungen oft positiv rückgemeldet. Yoga und Ayurveda sind teils komplexe indigene „Wissenschaften“ und mein akademischer Hintergrund hilft mir enorm, ihre Tiefen zu verstehen und zu vermitteln. Im englischsprachigen Raum ist „Embodied Philosophy“ äußerst erfolgreich damit, Wissen aus der Yoga-Forschung für ein nicht-akademisches Publikum zugänglich zu machen. Im deutschen Sprachraum fehlt dies bisher und der Bedarf ist wohl entsprechend groß. Die Freiberuflichkeit erlaubt mir, meine Zeit flexibel einzuteilen. Momentan verbringe ich den Winter in Ägypten. Hier komme ich mal wieder mit meiner Doktorarbeit voran, unterrichte aber auch gelegentlich kürzere Online-Workshops, gebe Online-Einzelsitzungen und arbeite an meinen Projekten. Gerade erst habe ich meine Website veröffentlicht, auf der weitere Informationen zu mir und meinen Angeboten stehen. Schau gerne vorbei: www.raphaelmousa.com.