
Kurzbio
Ich heiße Maia George. Ich bin Workshopleiterin für Graduierteninstitutionen deutschlandweit. Ich habe Philosophie und Politikwissenschaft studiert und in der Philosophie promoviert. Meine Selbstständigkeit habe ich während meiner Promotion aufgebaut. Ich bediene Themen wie Wissenschaftskommunikation, LinkedIn für den Wechsel zwischen Uni und Industrie, die Stipendienbewerbung, die Soft Skills hinter Automatisierungsprozessen oder die Systematisierung der Selbstorganisation. Mehr darüber kann man auf maia-george.de lesen
Dein Beruf:
Wie sieht dein Berufsalltag aus?
Mein Alltag ist sehr entspannt. Ich gebe 1-2 Workshops in der Woche. Bei den üblichen Honoraren ist das ausreichend und ich kann auf eine gute Work-Life-Balance achten. In der übrigen Arbeitszeit erledige ich organisatorische Aufgaben, wie mit Unis zu kommunizieren oder neue Workshopskonzepte zu entwickeln. Networking ist in meinem Beruf sehr wichtig, also investiere ich auch in neue Kontakte.
Was macht dir am meisten Spaß an deinem Beruf?
Die Freiheit, die mir die Selbstständigkeit gibt. Ich habe mich dafür entschieden, weil ich 100% Herrin meines eigenen Schicksals sein wollte. Außerdem liebe ich es, kreativ sein zu können. Meine Workshopthemen sind nicht ungewöhnlich, aber die Art und Weise, wie ich die Themen angehe, gehört mir und zeigt meine eigene Perspektive.
Was macht dir weniger Spaß?
Kein Workshop kann gut sein, bis er mindestens ein paar Mal durchgeführt wurde. Das bedeutet, dass man ein paar Mal mit einem Konzept ins kalte Wasser springen muss. Das kann etwas nervenaufreibend sein. Außerdem können die Evaluationen etwas hart sein. Manche Leute verwechseln eine Evaluation mit einer Kommentarspalte, da sie anonym sind.
Welche Kompetenzen oder welches Wissen, die du im Studium oder in der Promotion erworben hast, helfen dir dabei, deinen Beruf auszuüben? Welche konntest du nicht gebrauchen?
Andere Autor:innen haben das bereits im Rahmen dieses Blogs betont: Die Fähigkeit, sich in neue Wissensgebiete einzuarbeiten und sie auf hohem Niveau in relativ kurzer Zeit bedienen zu können, ist Gold wert. Diese Fähigkeit bedeutet, dass unseren Möglichkeiten als hochgebildeten Akademiker:innen kaum Grenzen gesetzt sind. In meinen Augen liegt uns damit die Welt zu Füßen. Vor allem in einer Welt, in der Fachkräfte fehlen.
Darüber hinaus: Die Fähigkeit, eigenständig große Projekte auf die Beine zu stellen war auch eine hervorragende Grundlage, um mich selbstständig machen zu können. Und der akademische Habitus ist wie eine Eintrittskarte in viele VIP-Räume. Dieses Auftreten gibt mir und meinen Auftraggeber:innen viel Sicherheit. Das ist nicht unwichtig. Meine Workshops sind Produkte, die ich geschickt verkaufen muss. Der richtige Auftritt kann die halbe Miete sein.
Weniger gebrauchen konnte ich den akademischen Perfektionismus. Wenn man die Forschung verlässt, ist eher „get it done“ gefragt. Perfektionismus verzögert und führt zu Zeit- und Geldverlust. Ich musste mir das Akribische und Perfektionistische der Forschung abgewöhnen und pragmatischer werden. Aber ich habe dies als Befreiung empfunden. Perfektionismus kann auch ein Killer von Spontaneität sein. Ich plane viel, aber irgendwann muss man sich einfach auf die Menschen einlassen, vor denen man steht.
Welche Kompetenzen musstest du dir anders aneignen und wo/wie hast du sie gelernt?
Networking ist unglaublich wichtig für viele Berufe. Für den Berufseinstieg, egal in welcher Branche, ist es sogar fast immer unverzichtbar. Ich verstand mich früher als sehr introvertierter Mensch. Außerdem habe ich nicht immer in Deutschland gelebt und habe daher kein Netzwerk, das ich durch meine Familie hätte erben können. Nur per Zufall wurde ich dazu motiviert, einen anderen Umgang mit Menschen auszuprobieren. Ich musste z. B. während des Studiums arbeiten. So habe ich Erfahrung in der Erwachsenenbildung gesammelt. An der Volkshochschule und an der Servicestelle LehreLernen in Jena. So habe ich Leute kennengelernt, die mich auf dem Weg in die Selbstständigkeit unterstützt haben, wie meinen Mentor, Matthias Schwarzkopf, der mein ehemaliger Chef bei LehreLernen war und seit einigen Jahren auch selbstständiger Workshopleiter und Coach ist.
Sehr wichtig für mich war bisher auch die Fähigkeit, sich in der Beobachtung und Beurteilung von Prozessen und Entwicklungen nicht vom eigenen Ego leiten zu lassen. In der Selbstständigkeit muss man sehr ehrlich darüber sein, was funktioniert und was nicht. Das eigene Ego schützen zu wollen, kann zu schlechten Geschäftsentscheidungen führen. Man sollte auch nicht aus Angst oder Verzweiflung handeln. Diese emotionalen Fähigkeiten habe ich im Kung-Fu- und Taiji-Training gelernt.
Der Einstieg / Neuanfang:
Wie hast du den Weg zu deinem jetzigen Beruf gefunden?
Ein Jahr vor dem Ende meines Promotionsstipendiums habe ich angefangen, mich zu fragen, was ich danach tun könnte. Ich wusste, ich möchte nicht in der Wissenschaft bleiben. Ich habe mir vorgenommen, etwas aus dem zu machen, was ich bereits konnte, und die Ressourcen zu nutzen, die ich bereits hatte. Etwas in mir sagte „Es ist BULLSHIT, dass wir Geisteswissenschaftler:innen nicht von dem leben können, was wir an der Uni gelernt haben“. Eine dieser Ressourcen, die ich hatte, war der Kontakt zu meinem ehemaligen Chef aus LehreLernen. Ich merkte, dass ich seinen Lebensentwurf sehr cool fand. Er hatte seine sichere Führungsposition verlassen, um selbstständig zu arbeiten. Ich wollte genauso frei, glücklich und selbstbestimmt sein. Dieses Vorbild war mein Ausgangspunkt.
Welche ersten Schritte hast Du unternommen, um den Wechsel von der Uni zu schaffen?
Das erste war, wie es sich als Philosophin gehört, meine eigenen Vorurteile über die Arbeitswelt in Frage zu stellen. Zuvor war ich davon überzeugt, dass mir nur etwas sehr Bescheidenes und Langweiliges zusteht, weil ich es gewagt hatte, so etwas wie Philosophie zu studieren. Ich wurde zusätzlich gnadenlos ehrlich über das, was ich wollte und ließ mich von meinen Wünschen leiten. Ich habe meine eigene Ambition entdeckt. Ich lernte, sie als etwas Positives zu sehen.
Auf der pragmatischen Seite des Prozesses habe ich kostenlose Kurse für Gründer:innen besucht, die das Thüringer Zentrum für Existenzgründungen anbietet. Ich hatte auch einige Gespräche mit meinem Mentor, die mir viel Mut gemacht haben. Und ich habe Möglichkeiten gesucht, hier und da ehrenamtlich oder günstig Workshops zu geben, um etwas mehr Erfahrung zu sammeln.
Welche Kontakte oder Erfahrungen haben Dir dabei geholfen?
Matthias Schwarzkopf und andere ehemalige Kolleg:innen von LehreLernen standen mir immer zur Seite, wenn ich Fragen hatte. Die seelische Unterstützung war auch unverzichtbar. Nicht selten kam ich zu ihnen voller Zweifel. Menschen, die als Vorbild und Mentor:innen dienen, können so viel geben und auffangen.
Außerdem hat mir die Graduiertenakademie in Jena die ersten Chancen gegeben, mich als Workshopleiterin zu versuchen. Zuerst im Kontext eines Programms, bei dem Doktorand:innen Workshops für Peers anbieten können. Danach habe ich meine ersten Aufträge von ihnen erhalten. Ich ging einfach zur Leiterin und fragte. Ich war ehrlich darüber, dass ich dabei bin, meinen beruflichen Weg zu finden. Sie war sehr offen und einladend. Insgesamt war meine Erfahrung: „Ask and you shall receive“. Wenn ich mich nicht getraut hätte zu fragen, wäre nichts möglich gewesen. Ohne erste Referenzen ist es sehr schwer, in diesem Markt der Dienstleistungen für Forschungseinrichtungen anzufangen.
Zuletzt muss ich sagen, dass die Menschen in meinem Leben, allen voran mein Lebenspartner, bedingungslos an mich glauben. Das hat mir vor allem am Anfang viel Kraft gegeben. Der Wechsel von der Forschung kann so verunsichernd sein. Man braucht schon andere Menschen, die als Cheerleader dienen.
Welche Hindernisse gab es dabei?
Ich würde sie nicht Hindernisse nennen. Eine Selbstständigkeit braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Ohne diese, ist sie nicht möglich. Ich musste dafür sorgen, dass ich diese Zeit hatte und mit Vertrauen und Geduld durchlaufen konnte. Je nach Persönlichkeit, kann dies eine große Herausforderung sein.
Selbstbild/Reflexion:
Wie erfindest Du Dich in diesem Beruf neu? Wie kannst Du diesen Beruf mit Deinen Erfahrungen und Deiner Persönlichkeit ausfüllen?
Dies mag etwas kontraintuitiv klingen, aber ich löse mich immer mehr von meinem akademischen Ich. Ich trete in den Workshops zum Teil als Akademikerin auf. Aber ich betone sehr stark, dass Wissenschaft mehr Menschlichkeit braucht. Das kommt sehr gut an und das inspiriert mich, Visionen einer anderen Hochschule mit den Teilnehmenden meiner Workshops zu entwerfen. Ich habe es früher nicht geahnt, aber dieser scheinbar mondäne Ort der Workshops bietet Freiräume für solche Sachen. Diese Branche innerhalb der Uni ist relativ neu, also ist hier noch viel freier als in den älteren Strukturen. In der Forschung hatte ich nicht das Gefühl, so gestalten zu können.
Dein Rat für andere auf einem ähnlichen Weg:
Was würdest du jemandem raten, der einen ähnlichen beruflichen Weg gehen möchte?
Vergesst bitte all die einschränkenden Glaubenssätze, die wir Geistes- und Sozialwissenschaftler:innen verinnerlicht haben. Dass wir nicht produktiv sein können; dass wir kein Geld verdienen können; dass unsere Fächer zu keinem Job qualifizieren; dass eine Promotion uns überqualifiziert. Es stimmt alles nicht. Ich habe es bei vielen Peers gesehen, die auch promoviert und dann die Uni verlassen haben. Und ich höre es immer wieder von meinem Mentor, der seit 10 Jahren hochqualifizierte Akademiker:innen in andere Berufe begleitet. Klar: Unser Weg ist nicht so offensichtlich wie der in anderen Fächern. Wir brauchen mehr Mut, Fantasie und die eine oder andere Weiterbildung. Aber es ist viel möglich. Traut euch Vorbilder zu suchen, bittet um Hilfe, sammelt Erfahrung und Wünsche in irgendeinem Kontext außerhalb der Forschung. Das, zusammen mit der Fähigkeit, sich in neue Themen einzuarbeiten, bewirkt meiner Meinung nach Wunder.
Es stimmt außerdem nicht, dass wir die Schönheit unserer Fächer mit einem Job außerhalb der Forschung aufgeben und langweilige Sachen tun müssen. Menschen, die die Philosophie, die Literatur oder die Kunst lieben, finden andere Wege, sie in den Beruf zu integrieren. Auch wenn dies nach außen nicht offensichtlich ist. Es ist sogar ein schöner kreativer Prozess, den ich sehr genieße.