Der Weg ist das Ziel: Huberta Weigls Geschichte von wissenschaftlichem und unternehmerischem Erfolg jenseits der Universität

Huberta Weigl ist studierte Betriebswirtin und promovierte Kunsthistorikerin. Nachdem sie zunächst eine Laufbahn als Wissenschaftlerin eingeschlagen hat, ist sie heute Unternehmerin. Nach mehrfacher Verlängerung ist ihre befristete Assistentenstelle am kunsthistorischen Institut der Universität Wien 2007 ausgelaufen. Nach mehreren Jahren der Unsicherheit hat sie 2012 die Schreibwerkstatt  gegründet. Parallel dazu hat sie – ohne institutionelle Verankerung – ihre Arbeit an einer wissenschaftlichen Monografie über den österreichischen Barockbaumeister Jakob Prandtauer fortgeführt, die 2021 erschienen ist und mit dem Würdigungspreis für Wissenschaft des Landes Niederösterreich ausgezeichnet wurde. 

In dem Beitrag erzählt sie von ihrem Weg, den Auf und Abs und warum sie heute gerne abseits des Wissenschaftsbetriebs arbeitet. 

Rausgeflogen! 

Mich hat das „System Universität“ 2007 nach zehn Jahren auf die Straße gespült, und zwar einigermaßen überraschend. Eigentlich hatte ich eine Zusage für eine Verlängerung meiner Assistentenstelle am kunsthistorischen Institut der Universität Wien. Ich habe nach meiner Promotion auf der Stelle Richtung Habil. geblickt, dann gab es aber eine Gesetzesänderung und binnen weniger Monate war ich arbeitslos. Das war ein Schock und großer Einschnitt in meinem Leben. Ich habe die Universität wirklich schweren Herzens verlassen, denn Forschung und Lehre waren absolut meins. 

Der Ausstieg aus der Wissenschaft war ein schmerzvoller Prozess. Besonders bitter war die Erfahrung, dass die Qualität meiner Arbeit nicht gezählt hat. Ich hatte jede Menge publiziert und sehr gute Evaluationsergebnisse im Bereich der Lehre. Das hat am Ende ebenso wenig gezählt wie mein Einsatz für all die organisatorischen Dinge, die es im Rahmen einer Assistentenstelle so zu erledigen gilt. 

Würde man in einem Unternehmen eine gute Mitarbeiterin oder einen guten Mitarbeiter einfach nach Fristablauf auf die Straße setzen, wenn man seine bzw. ihre Arbeitsleistung weiterhin braucht? Nein. Das ist das Absurde am universitären System im Bereich des Mittelbaus. Mitarbeiter:innen, die nach und nach Kompetenz aufgebaut haben, werden durch Mitarbeiter:innen ersetzt, die genau diesen Weg erst gehen müssen. Gut, dass sich seit 2021 Wissenschaftler:innen unter dem Hashtag #IchBinHanna auf Twitter öffentlich gegen die absurde Befristungspraxis wenden (siehe dazu auch die Website der Initiative).

Draußen und immer noch drinnen … 

Nach dem Auslaufen meiner befristeten Stelle habe ich erst mal – finanziert durch das Arbeitslosengeld – Publikationsprojekte abgeschlossen, die ich als (Mit-)Herausgeberin betreut habe. Ich war damit aus dem System raus und habe dennoch für das System gearbeitet. 

Nach und nach habe ich dann angefangen, als Selbstständige zu arbeiten. Ich habe Ausstellungen kuratiert und begonnen Studierende in Form von Coachings und Workshops bei ihren wissenschaftlichen Arbeiten zu begleiten. Ausgangspunkt für die Arbeit mit Studierenden war ein Workshop der Universität Wien, den ich noch im Rahmen meiner Tätigkeit als Assistentin gemacht habe. In dem ging es darum, wie man Studierende abseits der Vermittlung von Zitierregeln bei ihren Schreibprojekten unterstützt, und diese Erfahrung hat mir die Augen geöffnet! Dieses Wissen ist schon während meiner Assistentenzeit in meine Lehrveranstaltungen eingeflossen und nun konnte es plötzlich zum Hauptinhalt von Workshops werden. Mein erstes Angebot samt Schreibwerkstatt-Website war damit geboren! 

Wohin nur mit mir? Mein Weg zur Unternehmerin 

2011 stand ich dann vor der Frage, wohin mich mein Weg führen sollte. Immerhin hatte ich ja auch ein BWL-Studium abgeschlossen. In einer Phase, in der ich viele Fragezeichen gesehen habe und vor allem wusste, was ich  n i c h t  will (fremdbestimmt montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr in einem Unternehmen arbeiten), ist mir das Mentoringprogramm u:start der Universität Wien begegnet. Es begleitet Akademiker:innen ein Jahr lang auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Mir war rasch klar: Das ist die Chance, um beruflich Fuß zu fassen, um die Schreibwerkstatt zum Unternehmen auszubauen! Kein Angestelltendasein, sondern Unternehmerin mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten und Freiräumen war ab nun das Ziel. 

2012 habe ich dann die Schreibwerkstatt gegründet. Parallel habe ich – fasziniert von Facebook – einen einjährigen Social-Media-Lehrgang an der Werbeakademie der WKO gemacht. In der Schreibwerkstatt unterstütze ich Unternehmen, Selbstständige und Privatpersonen bei allen Fragen rund um ihre schriftliche Kommunikation. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der Arbeit mit Studierenden, die ich in Form von Coachings, Workshops und seit eineinhalb Jahren auch in Form von Schreibgruppen bei ihren Uni- und FH-Arbeiten begleite. Außerdem biete ich ein Lektorat an, das freilich nicht ich erledige, sondern meine beiden Lektorinnen, die ein extrem gutes Sprachgefühl haben. 

„Ja, du bist eben auch BWLerin!“ 

Wissenschaftler:innen, die sich selbst gerade neu orientieren müssen, sagen mir gern, wenn ich ihnen von mir erzähle: „Du hast es ja leicht, du bist ja auch BWLerin.“ Klar, bin ich! Tatsächlich sind es aber vor allem mein Interesse und meine Begeisterungsfähigkeit, die mich in den Jahren der Unsicherheit vorangebracht haben. Ich kann mich für Archiv- und Bibliotheksarbeit begeistern, mich faszinieren aber auch Themen wie Suchmaschinenoptimierung, Pressearbeit, Bloggen und Facebook-Marketing. 

Forschung ohne institutionelle Verankerung – verrückt, aber machbar! 

Das Verrückteste und zugleich Anstrengendste, was ich in den Jahren gestemmt habe, war sicherlich mein zweibändiges, fast 1000 Seiten starkes Buch über den Baumeister Jakob Prandtauer, einen der bedeutendsten Künstler des österreichischen Barocks. 2002 habe ich über die wichtigsten Klosteranlagen Prandtauers promoviert. Danach stand ich mit einem Torso da, denn eigentlich wollte ich immer eine Monografie schreiben. Als meine Stelle dann 2007 ausgelaufen ist, war ich erst mal ratlos. Dann habe ich beschlossen, weiterzuarbeiten, also weiter zu forschen und zu schreiben. Gut, dass ich damals nicht gewusst habe, was da auf mich zukommt! 

Letztendlich habe ich inkl. Promotionszeit 24 Jahre in dieses Buch investiert. So viel unbezahlte Zeit zu investieren, war, das möchte ich hier auch offen aussprechen, nur möglich, weil ich keine Familie erhalten musste. Es war in jeder Hinsicht fordernd – auch energetisch. Hinzu kam, dass ich 50 000,– Euro für Lektorat und Druckkostenzuschuss einwerben musste. 

Jammern hilft wenig! 

So habe ich eben auch diesen Arbeitsberg angepackt. Hilfreich war dabei meine Überzeugung, dass sich für Jakob Prandtauer nicht nur die Barockforschung, sondern auch eine breitere Öffentlichkeit interessiert. Die musste freilich erst einmal von dem erfahren, was ich tat. Das Vorhaben der Mittelakquise wurde, nachdem ich zuvor nur Briefe und E-Mails an potenzielle Geldgeberinnen und Geldgeber geschrieben hatte, plötzlich spannend. Es lag nahe, die Wege der Kundenakquise, die ich mit Erfolg für die „Schreibwerkstatt“ einsetzte, auch für das Buchprojekt zu nutzen. So habe ich eine Website für mein Buchprojekt erstellt und dort im Blog, aber auch auf Facebook, Twitter sowie YouTube Einblick in mein Tun gegeben – und bin auf Resonanz gestoßen! 

Das stille Kämmerlein der Wissenschaftlerin verlassen 

Das stille Kämmerlein der stetig vor sich hin forschenden Wissenschaftlerin zu verlassen und zu erleben, dass da draußen Menschen waren, die das, was ich seit Jahren zusammentrug, interessiert, hat mir extrem gutgetan. Meine Hoffnungen erfüllten sich: Menschen, die bis dahin noch nichts von meinem Vorhaben gehört hatten, sind auf mich zugekommen und wollten es finanziell unterstützen. Ich habe alle Mittel auf die Beine gestellt. 

Dass das Buch nach seinem Erscheinen 2021 mit dem Wissenschaftspreis des Landes Niederösterreich ausgezeichnet wurde, macht mich stolz. Und ich frage mich heute (2022) rückblickend immer noch, wie ich das geschafft habe. Das Denken in kleinen Etappen, also „Was mache ich als Nächstes“, und sich nicht vom großen Ganzen überrollen zu lassen, war dabei sicher ganz wichtig. 

Mein Rat zum Schluss 

Ich bin überzeugt davon, dass wir alle mehr können, als wir denken. Jede:r, die:der in der Wissenschaft arbeitet, hat Kompetenzen, die auch außerhalb der wissenschaftlichen Community gebraucht werden, und wir sind alle in der Lage, uns neues Wissen anzueignen, das da draußen in der Welt gesucht wird. 

Rückblickend finde ich es interessant, dass ich eine Weile gebraucht habe, um zu sehen, dass es neben dem Angestelltendasein ja auch den Weg der Selbstständigkeit gibt. Direkt nach dem Auslaufen meiner Stelle an der Universität habe ich nur nach Forschungsstellen, vor allem Juniorprofessuren gesucht. Etwas anderes hatte ich gar nicht im Blick. 

Daher ist mein Rat an alle, die sich gerade neu orientieren bzw. vielleicht sogar neu erfinden, sich zu fragen, was sie alles gut können und was ihnen Freude macht (bei mir war das beispielsweise das Schreiben und das Begleiten von Menschen bei Lernprozessen). Es ist immer eine Option, sich in dieser Phase des Orientierens Unterstützung zu suchen. Niemand muss diesen Weg allein gehen. 

Würde ich heute wieder gern zurück an eine Forschungsinstitution? Nein. Ich  w a r  Hanna und habe inzwischen meinen Platz abseits der Wissenschaft gefunden. Und das Schöne ist, dass sich mein Beruf und mein Unternehmen ständig mit mir weiterentwickeln. Diese Flexibilität, dieses ungeheure Potenzial, trägt ganz entscheidend zu der Qualität bei, die mein Leben heute hat. 

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